Zunächst schwelt es nur leise, manchmal für eine sehr lange Zeit, aber früher oder später treten die Flammen hell an die Oberfläche. Die Rinde wird schwarz vom Russ, man sieht, wie sie sich langsam verzieht und windet, mit durchdringendem Knirschen verformt. Wer das Schauspiel näher verfolgt, dem fällt der Gestank auf, der davon zusammen mit dem grauen Rauch aufsteigt, ein Geruch wie von Schwefel oder Industriereinigern, er ist zu schwer, als dass man das genau benennen könnte – oder gar wollte. Die Augen beginnen zu tränen, wenn man es genau beobachtet, und so entgehen einem hoffentlich die Details, die kleinen, verkohlten Splitter, die sich aus dem Material lösen etwa, die da leise flehend vom Feuer aufgesorgen werden, oder das gehässige Aufflackern, wenn sich zwei der winzigen Brandherde vereinigen.
Und dann, wenn man es schon beinahe nicht mehr erträgt, weil man die verkraterte Kruste und den Gestank, die Flammen und das leise Züngeln nicht mehr sehen kann, dann erst bricht die Hülle mit einem quälend theatralischen Krachen und lässt das Innerste weiß hervortreten; Für einen Augenblick erweckt das den Anschein einer Häutung, das Äußere reißt einfach auf, und darunter sieht man nur makelloses Weiß, wie das von edlem Holz. Die kläglichen, verdorbenen Reste der Rinde glimmen noch eine kurze Zeit, dann verschwinden sie einfach, restlos verbrannt. Der Geruch in der Luft wird dünner, bis er kaum noch wahrzunehmen ist, der Rauch verflüchtigt sich und dann herrscht eine fast friedliche Stille.
Man ist erleichtert über dieses zerstörerische Ende, fast erfreut, denn was man zuerst für das ans Licht gezerrte Innere hielt, ist wieder eine Haut, eine Hülle, eine makellose diesmal. Vielleicht reicht einem dies schon aus, um mit dem seltsamen Spiel abzuschließen, und man wendet sich ab; eine Wandlung, wenn auch eine vernichtende, mag man denken und sich anderen Dingen zuwenden. Doch manchem wird das nicht genügen, mancher wird stattdessen mit der Hand über das Weiß der Oberfläche fahren wollen – und die Hitze bemerken.
Nein, das war noch nicht das Ende, im Inneren glüht auch schon diese Hülle, diese Hülse, und wer bislang nicht bereut hat, diese Szenerie näher zu untersuchen, der wird es jetzt tun, denn jetzt muss man auch den nächsten Schritt der Zerstörung erdulden. Der Blick bleibt gefangen, wenn auch diese in Flammen aufgeht, mit leisem Knistern zu Nichts wird. Was dann darunter zum Vorschein kommt, dass ist – man hat es befürchtet – wieder eine Haut, wieder eine weiße, makellose Rinde, aber wieder ist sie heiß und fiebrig, kaum dass sie an die Oberfläche getreten ist. Trotz der scheinbaren Wiederholung kann man sich nicht daran gewöhnen, der Rauch ist jedes Mal aufs Neue beißend, das Knistern zerrt jedes Mal aufs Neue an den Ohren, jedes Zerreißen bleibt theatralisch, bleibt Apokalypse und Wiedergeburt. Die Tränen treten dem Betrachter auch in den unregelmäßigen, ruhigen Phasen in die Augen, und wer noch kann, der läuft davon, lässt das hinter sich und flieht. In das Mitleid derer, die schon ganz gefangen sind, mischt sich ein verbotener, ein stechender Gedanke, der Wunsch nach dem Ende, der Wunsch, dass unter dieser Rinde nun das Innerste hevortreten möge, damit dieses gequälte Etwas endlich sterben, vergehen darf – und damit der Zuschauer endlich abschließen kann mit diesem Schauspiel, seinerseits nicht mehr gequält zusehen muss, wie Haut um Haut verglüht. Man mag diesen Gedanken verdrängen, mag sich schuldig fühlen, ihn gedacht zu haben, aber ist er einmal da, so ist er nicht mehr abzuschütteln. Jahrzehnte müsste man zusehen, um zu erkennen, wie mildtätig dieser Wunsch tatsächlich ist; denn erst dann wäre auch die letzte Hülse heruntergebrannt. Erst dann würde man betrachten können, was im Innersten dieser Kreatur ist: Nichts, nur Asche. Man würde einsehen, dass dieses Innere das Erste war, das verbrannt ist, noch bevor sich die Hautschichten darum auch nur erwärmt hatten. Und könnte erkennen, dass der schuldige Gedanke nicht mehr als der Wunsch nach Gnade war, der Gnade der Vernichtung.
„Die Hölle ist kein Ort, sie ist ein Gedanke – und deshalb nie weiter als ein Wort entfernt.“