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Droge

Wir sind süchtig. Weil wir Menschen sind. Man kann es drehen und wenden, wie man will; wir sind süchtig, nach jeder Form dieses Stoffes. Vielfach reden wir uns ein, es sei keine Droge, sei nur Ausdruck des Mensch-Seins an sich. Aber wer könnte das mit Sicherheit sagen; für die meisten legalen Drogen haben wir letztlich einen rein virtuellen Raum aus Zwecken und Rechtfertigungen konstruiert. Alkohol ist ein gesellschaftliches Stilmittel, Nikotin die eigentliche Waffe des Cowboys.
Die Sucht nach dieser anderen Substanz freilich ist leichter zu befriedigen, und obwohl sie viel später legalisiert wurde als andere – kaum 150, 200 Jahre ist es her – scheint uns ihre Rolle als Droge seltsam unvertraut. Sicher hat das auch damit zu tun, dass ihre Befriedigung soviel einfacher ist; zumeist kostet sie kein Geld, und oft reicht schon ein Telefon, um sich eine geringe Dosis zu verabreichen. Dennoch ist es wie mit allen Drogen. Die meisten Menschen arrangieren sich mit ihr, nehmen hin und wieder etwas, können damit umgehen und akzeptieren sie als Lebens-Mittel, als etwas, dass man manchmal braucht, von dem aber zuviel nie gut sei kann.
Andere dagegen, wenige, schaffen das nicht. Sie schreien nach immer höheren Dosen, immer aufregenderen Trips, immer größeren Abenteuern. Morgens erwachen sie dann verkatert, ausgebrannt, leer, stehen auf und suchen nach dem nächsten Schuss. Sie sind es auch, die – wie alle Junkies – daran zu Grunde gehen. Daran ist alles verkehrt, oder gar nichts; es ist eine Frage der Perspektive. Wie alle psychoaktiven Substanzen hat auch diese sicher Tausende von Schriftstellern, Musikern, Bildhauern inspiriert; die größten von ihnen waren sicher unkontrollierte, gefährliche Abhängige, die stetig nur nach dem nächsten Kick gierten, und so beschrieben sie uns auch genau solche Menschen; Junkies, Verlorene wie Werther oder Luise Miller, die sich im Rausch zu Grunde richten.
Wie alle Drogensüchtigen, die keine Kontrolle mehr haben, stellen auch diese eine Gefahr für die Gesellschaft dar. Da gibt es die Beschaffungskriminalität, das klassische Eifersuchtsdrama etwa. Ein guter Teil aller Morde geschieht in diesem Zusammenhang. Und es gibt die Selbstmorde, die psychischen Erkrankungen. Die meisten Amokläufe der jüngsten Zeit haben zumindest indirekt mit der Droge zu tun; nicht, dass sie sie ausgelöst hätte, aber sie trug sicher dazu bei.
Viele Aussteiger versuchen sich den Stoff mit anderen Drogen zu entziehen, aber auch das scheitert – selbstverständlich – meist kläglich. Statistisch gesehen erhöht sich so etwa die Wahrscheinlichkeit, dem Alkohol zu verfallen, nach einer Scheidung signifikant; wer die eine Droge nicht mehr bekommt, steigt auf eine andere um. Riesige Therapiezentren beschäftigen Tausende von Menschen, die letztlich nur die Abhängigen behandeln sollen. Kalter Entzug, Antidepressiva gegen die Entzugssymptome, Gruppentherapie für den sozialen Austausch, Verhaltenstherapien für den möglichen Wiedereinstieg in die Gesellschaft. Das selbe Programm wie bei Heroin, Kokain und LSD.
Dabei ist die Rückfallquote dennoch höher als bei diesen konventionellen Substanzen. Wer auf Heroin war, muss seine Umgebung verändern, seine Freunde wechseln, sich von den Versuchungen fernhalten, neu anfangen; dann hat er eine Chance.
Wer einmal an dieser anderen Droge hing, dem reicht das alles nicht. Solange er sich nicht allein auf eine einsame Insel begibt, ist er in Gefahr – selbst in Therapie. Beim Einkaufen, im Kino, bei der Arbeit, überall reicht vielleicht ein Blick oder einige flüchtige Sätze, um die Verlockung wieder aufschäumen zu lassen. Dann ist der Rückfall vorprogrammiert, oder zumindest naheliegend.
Sicher ist es diese ansonsten kaum zu findende Schwerstabhängigkeit, die die Menschen dazu motivierte, ihr den Decknamen einer simplen menschlichen Emotion zu geben, einem Teil des Mensch-Seins an sich. Vielleicht ist sie das sogar, vielleicht macht sie uns zu Menschen, diese Abhängigkeit. Aber – wer könnte das schon mit Sicherheit sagen?