Die Auswegsverkäufer Diesen Artikel drucken

Glaubt Ihnen kein Wort
Das war sein Lieblingssatz, und er wiederholte ihn oft, wenn er wie jeden Morgen am Rande der Fußgängerzone seinen üblichen Platz bezogen hatte,
Glaubt Ihnen kein Wort
Damit leitete er seine Rede ein, die stets etwas variierte, in ihrer Aussage doch gleich blieb,
Kauft nicht Ihre Auswege, Ihre Irrtümer, so redete er heute weiter,
Sie mögen euch gerecht erscheinen, sogar notwendig, aber das ist Unsinn. Sie sind es doch, die diese Probleme erschaffen, um euch dann für teures Geld ihre Lösungen zu verkaufen,
Und damit meinte er nicht nur die Politik, nein,
Alle wollen sie euch erzählen, sie würden die Antworten kennen auf Fragen, die sie selbst gestellt und als unausweichlich dargestellt haben, aber das sind Lügen, Lügen,
Glaubt Ihnen kein Wort,

Und dann ließ er oftmals sehr dunkle Passagen einfließen, die er sich selbst gar nicht so recht erklären konnte, heute etwa sagte er,
Die Wirklichkeit ist ein offener Raum, die Welt dreidimensional, und in einer solchen Welt gibt es keine Sackgassen,
Die Wissenschaft sagt euch, alles sei vorbestimmt,
Die Politik behauptet, es könne nur Kompromisse geben,
Die Wirtschaft meint, es sei alles nur eine Frage des Gelds,
Und die Religion schließlich erklärt euch, wir seien ohnehin nur auf der Durchreise
Dabei wollen sie alle nur das gleiche,

An dieser Stelle wurde seine Stimme immer etwas höher und dünner,
Sie wollen ihre Auswege loswerden und fett werden von eurem Geld, eurer Zeit, eurem Leben
Sie wollen euch gegen einen Obolus aus den Sackgassen führen, die sie selbst erst geschaffen haben,
Und euch Lösungen verkaufen, die ihr gar nicht brauchen würdet, wenn ihr ihnen nur nicht zuhören würdet.

Auch heute blieb kaum jemand stehen, während er seine Ansprache mit dieser oder jenen Variation wiederholte, bis er fast ein wenig heiser wurde. Als schließlich doch jemand stehen blieb und eine Weile seinen Ausführungen lauschte, sprach er umso lauter und redete über das
Großkapital, das selbst die Kinder schon in die Fänge des Konsumwahns führte,
Vom Papst, dessen lebensverachtende Ideologie nur dem Zweck diene, die Menschen von wirklichkeitsfremden Heilsversprechungen abhängig zu machen
Als der Passant immer länger dort stand und interessiert zuhörte, ging ihm schließlich das Material aus, und so begann er sich zu wiederholen: Schließlich gelangte er zum dritten Mal an die Stelle, in der um das Großkapital ging, und der Mann stand immer noch dort und hörte zu. Die Stimme des Redners war schon etwas ärgerlich geworden, und man hätte glauben können, er echauffiere sich über seine Ausführungen, habe sich in Rage geredet: Dann jedoch nahm er den Mann, der ihm scheinbar so fasziniert zuhörte, fest ins Auge, als wolle er ihm etwas mitteilen, und schob dabei mit einem Fuß den Hut nach vorne, in dem er die Münzen sammelte.

Mir ist bewusst, dass ich in den letzten Monaten weniger häufig etwas veröffentlicht habe. Ich werde mich bemühen, das zu ändern, bin aber gerade ‚beruflich‘ sehr stark eingespannt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert