Discontra (II) Diesen Artikel drucken

Wie wichtig das doch alles schien, wie überaus wichtig und unverzichtbar, alle die Namen, die vielen Namen und die geschützten Logos und Farbmuster, nein, niemand würde sie als austauschbar bezeichnen, es waren nicht nur Namen und Ikonografien, sie hatten etwas Magisches, Religiöses, etwas Geheiligtes. Sie schienen realeren Charakter zu besitzen als andere Dinge, sogar als Menschen, obwohl nichts Reales an ihnen war – aber was war schon real, war das nicht ohnehin ein leeres Wort, eine Farce, eine verdrängte Erinnerung an ein Außen, auf das hier nichts mehr verwies?
Dieser Ort war nicht mehr zwingend an Worte gebunden, im Gegenteil, er lehnte das Wort und die inhaltliche Kommunikation ab, sein Code war der des Tanzes und der Marken, der Brüste und Cocktails, und auch das schuf diese greifbare Indifferenz. Hier brauchte es kein Es mehr, kein Ich, schon der Lärm sublimierte jede individuelle Stimme und ließ nur kollektive Symbolik über, sexuelle, ökonomische, technologische. Alle vereint in einem seltsam anmutenden Konsens, denn was außerhalb als Widerspruch erschien, zeigte hier oft sein wahres Gesicht, ein Janusgesicht. Das Artifizielle, Menschengemachte und das Menschliche etwa, beides zerfloß hier, technische Prothesen stützten biologische-sexuelle Parameter, biologische Parameter verstärkten technische Prothesen, beides mischte sich mehr und mehr und schließlich war kaum noch zu entscheiden, was zuerst da gewesen sein könnte, ist es die Kleidung oder die Frau darin?
Menschen schienen hier mehr wie Schattenrisse, oder besser noch, Oberflächen, reine Reliefs, ohne Inhalt, ohne Inneres, die genau wie die Bilder fremder Monde nur Reliefs zeigten; nicht hohl, aber dennoch leer. Ihnen fehlte der Bezugspunkt, sie blieben referenz- und inhaltslos und offenbarten nur das Triviale, Obszöne.
Manchmal fragte man sich vielleicht, ob das gewollt sei, ob es Teil des Spiels sein könnte; die Frage bleibt nicht lösbar, denn der Diskurs oder das Nach-Forschende ist hier ebenso fern wie das Tageslicht. Es gibt hier keine Antworten, weil es auch keine Fragen mehr gibt. Warum auch, warum sollte man diese Fragen noch stellen? Alles ist schon hier, außerhalb gibt es nichts mehr. Es bleibt nur das ewige Spiel der Oberflächen, der Tanz von Codes und Fragmenten, von Symbolen, deren Bedeutung lang, lang schon verloren war – oder hier niemals existent gewesen war.

Leicht kommt man auf den Gedanken, dieses Spiel könne womöglich auch reichen; vielleicht ist es die menschliche Natur selbst, die es formt, vielleicht ist es ja umgekehrt: Vielleicht ist es diese Welt, die real ist, vielleicht ist es die Welt dort draußen, die auf Lügen fußt, auf falschen Versprechen und Tiefgründigkeiten, die nur falsche Reflexe sind, die nichts verbergen als Oberflächen. Vielleicht sagt dieser Ort wirklich alles, alles was man wissen muss, wissen muss über uns Menschen.

Eine Antwort zu “Discontra (II)”

  1. DS sagt:

    Da war wohl mal wieder einer zu lange im Number unterwegs… 😛

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