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Vielleicht ist es ein ganz neutraler Raum, ein normales Zimmer, vielleicht ist es nur der Geruch eines sterilen Fußbodens, er weiß das nie so genau, es könnte auch der Blick durch ein zerkratztes Fenster sein, oder der kleine Abgrund vor jeder Stufe einer Treppe. Ein Wortfetzen mag genügen, ein unbedachtes Wort, und schon riecht er wieder den eigenen Schweiß, den Geruch von Angst, sieht die Augen des Nachrichtenoffiziers, ganz gelb und schwarz. Manchmal erscheint es ihm ganz und gar zufällig, aber das stimmt nicht, das ist nicht wahr. Es steckt ein Muster dahinter, jeder dieser kleinen Eindrücke ist Teil eines großen Mosaiks, dem Bild in seinen Erinnerungen. So schlägt etwa eine Tür vor ihm zu, mit einem blechernen, schäbigen Geräusch, und sofort hat er diese eine, andere Tür in seinen Erinnerungen wieder vor sich, den Schlag, mit der sie ins Schloß fiel, nicht in einem bildlichen Sinne, es ist mehr ein Gefühl, das Gefühl für ein kaltes Ende und ein bitteres Aufwachen, der überwältigende Eindruck des Ausgeliefertseins. Es gibt Millionen dieser Mosaiksteine, er hat sie nie gezählt, über die ganze Wirklichkeit sind sie verstreut in ihrer boshaften Vielfalt, ein andauerndes Erinnere dich, dass keine Gnade kennt als den Tod und so erinnert er sich, erinnert sich an jede winzige Nuance dieser banalen, dunklen Zelle, die kleinen, sichelförmigen Aussparungen im Waschbeton, das Surren der vergitterten Kaltlichtröhren. Sie ist ein Teil von ihm, diese Zelle, oder vielleicht ist sogar er Teil von ihr, ein Teil wie das hohle Klicken, das er in jeder klimpernden Münze hört, ein Teil wie die heisere Stimme, die dazu spricht, „Next time it’s loaded“.
Ein Keuchen geht dann durch seinen ganzen Körper, wenn er diese Stimme hört, immer noch, hastige, unruhige Finger scheuern über die flachen Narben an den Armen, die wohl nie ganz ausbleichen werden. Es geht wieder vorbei, denkt er sich dann, es muss wieder vorbeigehen, diese Dinge liegen hinter ihm.
Und dennoch träumt er jede Nacht davon, von diesen langen Tagen in der kleinen Zelle, den kalten Augen des Mannes, der ihm seinen Namen nie gesagt und nur unzählige Fragen gestellt hatte. Nie, fast nie träumt er noch von einer Zukunft, und wenn, dann erscheint sie ihm nur als schwarzer Strudel, als negierendes schwarzes Loch, mehr ein Symbol der Unausweichlichkeit als eines der Möglichkeiten des Ungewissen vor ihm.
Er ist sich sicher, er müsste nur heraustreten aus seiner Gegenwart, die Vergangenheit ist, nur verschwinden in diesem schwarzen Strom, dann würde er erwachen – wieder erwachen in seiner Zelle.

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