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Geschichten über Geschichten

Das Fraktale/Gewalt

Diesen Artikel drucken 27. Juni 2005

Es scheint mir an dieser Stelle interessant, doch noch einmal über Gewalt zu sprechen. Letztlich scheinen es wir es ja bei dem Übergriff von Die Logik des Wolfes mit einem klassischen Typus zu tun zu haben (wir werden später sehen, ob dem so ist); Gewalt geht von einem Subjekt aus, wirkt auf ein anderes; Täter und Opfer sind analog zu Ursache und Wirkung verknüpft.
In einer gewiss ironischen Lesart sind diese Umstände, diese kausal eindeutigen Relationen äußerst günstig, denn ethische und juristische Systeme stützen sich darauf. Das erscheint einleuchtend; es hat etwas stattgefunden, ein Ereignis, dass gegen gewisse Konventionen verstösst. Aufgabe von juristischen oder ethischen Systemen ist es nun unter anderem, die Schuld zu verteilen. Und wie sollte man Schuld verteilen, wenn nicht über eben diese eindeutigen kausalen Zusammenhänge?
Wie gesagt, dies gilt für den klassischen Begriff der individuellen, klar festgelegten Gewalt.
Nun, dieser setzt die unbedingte Freiheit des Individuums voraus, denn der ein solches System betrachtet den Täter quasi als „letzten Grund“, als letzten Auslöser, eben als (alleinigen!) Täter, der an nichts gebunden ist außer an seine freie Entscheidung, die Gewalt auszuüben, die er im Begriff ist auszuüben. An diese Freiheit kann ein primitives System von Konventionen vielleicht noch gebunden sein, betrachten wir aber aufgeklärt eben die kausalen Zusammenhänge, von denen ich eingangs sprach, so müssen wir einsehen, dass gewisse Zwänge, seien es Kindheit, Armut oder Krankheit, die individuelle Freiheit, also auch die Schuldfähigkeit, die Fähigkeit, Täter zu sein, beschränken.
Der klassische Ansatz mag noch funktionieren, wo es tatsächlich um individuelle Entscheidungen geht (innerhalb des Ermessensspielraums, den gegebene Zwänge noch lassen), denn dort lassen sich Ketten von Tätern/Opfern konstruieren; der „letzte Grund“ wird nur um ein paar Ordnungen in die Vergangenheit geschoben, vielleicht ist nicht mehr der Täter allein schuld, nein, auch seine Eltern erhalten ihren Teil der Schuld, usw.
In dieser Art und Weise handelt unser aktuelles Rechtssystem; es versucht, mehr oder minder ausgeprägt lange oder kurze kausale Pfeile zu konstruieren, die von der Vergangenheit bis direkt auf den Vorfall zeigen.
Ich denke, dies funktioniert in einer (bewusst) globalisiert-fraktalen Welt nicht mehr. Wir haben es heute nicht mehr mit eindeutigen Kausalketten zu tun; es gibt keine Ordnungen vom Typ Eltern-Kinder, Lehrer-Schüler, Arbeitgeber-Arbeitnehmer mehr, die uns sonst so hilfreich waren beim Verteilen von Schuld, all die schönen Dualismen lösen sich auf, denn hier wirkt alles auf alles und jeder auf jeden, in einer verwobenen, rückgekoppelten Weise. Jede Suche nach einer eindeutigen Beziehung zwischen einer Tat und ihren Ursachen führt ins Chaos, da jeder Punkt mit jedem anderen Punkt verstrickt ist, obwohl jeder Punkt dennoch singulär bleibt. Und selbst der Systemcode, von dem der Protagonist in Rotation III spricht, steht nicht darüber, im Gegenteil. Es ist wahr; kontrolliert durch die globalen Algorithmen des Sozialen und des Ökonomischen wird jedes Individuum zum Geschoss, aber die Umkehrung gilt genauso; der Rädchencode wird erst aus der Dynamik der Individuuen geboren. Auch hier ist jeder Opfer und Komplize, jeder Rädchen und Motor des globalen Systems, das sich da aufspannt.
Viele sagen, die totale Marktwirtschaft sei unbedingt abzuschaffen, da sie die Menschen zerstöre. Ich sage; das Kapital ist genau wie der Markt nicht von Gott gegeben, und wir sind schon lange über jede vorgeschobenen globalen Verschwörung hinaus, in der irgendein böser Feind das Kapital angeblich gegen uns richtet. Nein, wir sind es selber, die das heraufbeschworen haben und stetig weiter heraufbeschwören, was der Protagonist da als „den Geist des Todes“ bezeichnet.
Die Gewalt innerhalb eines solchen dynamischen Systems von sich um einander drehenden Subjekten ist nicht mehr frei oder intentionell, sie folgt nicht mehr den steten Pfaden von Wille oder Grund. Es gibt keine Opfer mehr, keine Täter, alles ist dynamisch geworden, die Gewalt, die sich da global gegen uns richtet, geht von uns selbst aus.
Die Gewalt ist im Kern strukturell, sie geht vom System selbst, von jedem Teil des Systems gleichermaßen aus und verschwindet so vollständig.
Wer ist verantwortlich für die Kriege in der Dritten Welt?
Wer ist verantwortlich für die Umweltverschmutzung, für Erfurt, für Atomkraftwerke, für Bomben, für Arbeitslosigkeit, für Verwahrlosung, für Hartz 4?
Sind es Unternehmen, Politiker, Staaten, Konsumenten?
Es sind alle gemeinsam und jeder für sich allein, und diese kausale Streuung von Gewalt macht eine individuelle Schuld unmöglich.

Anmerkung: Ein gutes Beispiel, wenn auch in kleinerem Rahmen, hat der geneigte Leser bereits direkt vor sich. Wie von allen Medien kann natürlich auch von Blogs Gewalt ausgehen; die Blogosphäre ist offensichtlich ein fraktales System, das u.a. Informationen filtert. Filtern impliziert auch immer Herausfiltern, und das impliziert Gewalt (an Information). Es ist aber unmöglich zu klären, von wem diese Gewalt ausgeht, eben weil es sich um ein fraktales System handelt.

Dialog (1) – Vertrauen

Diesen Artikel drucken 26. März 2005

Die beiden Lichtkegel bohrten sich tief in die pechschwarze Nacht, nur gebrochen durch Tropfen, die schwer und träge aus dunklen Wolken fielen. Räder, die endlos über wortkargen Asphalt rasten.
Wie kannst du so etwas sagen, sagte der Fahrer und blieb doch auf die Fahrbahn konzentriert, wie kannst du so etwas sagen, ich meine, woher nimmst du diese Sicherheit, und überhaupt, du bist doch noch so jung, so jung, das kannst du doch noch gar nicht beurteilen, das hat doch etwas mit Lebenserfahrung, mit Weisheit zu tun, oder nicht, also was soll diese pessimistische Sichtweise.
Er antwortete ruhig und konzentriert, aber nicht ohne einen gewissen Ausdruck der Verbitterung.
Es bin doch nicht ich, der diese Dinge erfindet. Es sind doch nicht meine Gene oder irgendwelche Sachen, die von mir ausgehen, es ist doch die Welt, die mir diese Dinge zeigt, ich spreche sie doch nur aus.
Nach einer Pause, in der die Gischt eines entgegenkommenden Fahrzeugs die Fahrt schwierig machte und die beiden einem sekundenlang brodelnden Schweigen überließ, entgegnete der andere.
Aber das ist doch verrückt, schau dich doch nur um, es gibt sicher auch schlechte Menschen, und- natürlich, natürlich – es passiert viel Scheiße in der Welt, aber es gibt doch auch gute Entwicklungen, schau dir doch nur allein die Möglichkeiten an, die heute jeder einzelne hat, bei Gott, nicht jeder nutzt sie richtig, aber die meisten doch schon, oder nicht, hey, im Prinzip kann doch jeder heute seinem Traum nachjagen, oder nicht, und seine Hände zitterten unsichtbar, als er mit einer Bewegung die Lichtkegel wieder ferner in die gähnende Leere vor ihnen schickte.
Welchen Träumen denn, fragte er, konnte kaum verhehlen, dass er seinem Fahrer gerne ins Wort gefallen wäre, welchen Träumen denn, sein Blick schien kurz aufzuflackern, der Punkt ist doch, welche verbindlichen Träumen gibt es denn noch, welche verbindlichen Ziele. Früher, ja früher, und er wusste, dass das abgedroschen klang, wie ein altes Filmzitat, ja früher gab es verbindliche Träume, Freiheit, oder Liebe, oder Freundschaft, aber wovon träumt man denn heute, wovon denn. Man träumt von einem kleinen bisschen Glück, man träumt davon, morgen nicht wieder nach der Arbeit auf die Fresse zu bekommen, man träumt davon, an den scharfen vielen Klippen des Lebens irgendwie halbwegs vorbeizukommen, man träumt davon, zumindest im System ein gutes, kleines Zahnrädchen abzugeben, das nennt man heute Träumen.
Er wartete kurz, nahm die Reaktion seines Fahrers auf, der scheinbar vollkommen in seiner Aufgabe aufging oder aufgehen wollte, dann sprach er weiter, beschwörend wie jemand, der seine Unschuld oder auch Schuld beteuerte, Träume setzen doch einen gewissen Idealismus voraus, den Willen zum Glauben an irgendwas, irgendwas, sagen wir, hmm, sagen wir zum Beispiel an den Menschen oder besser an das Gute im Menschen, ein Ideal der Aufklärung ist das, fügte er noch hinzu, dann drehte er den Kopf zu seinem Fahrer, und diesen Idealismus gibt es heute nicht mehr, also gibt es auch keine Träume mehr.
Wieso, widersprach er, dieses Ideal, wenn du dich auf dieses Beispiel festlegen willst, das gibt es doch noch, aber natürlich gibt es das noch, eine stakkatohafte Härte klang darin mit, ich sagte es schon, wie kannst du denn das so einfach sagen, du musst doch auf das Positive im Leben sehen, ich meine, wir waren doch gerade in diesem Etablissement, er wusste dass sein Passagier es immer so bezeichnete, in dieser Diskothek, klar, die Leute sind oberflächlich dort, größtenteils zumindest, aber grundsätzlich, die meisten Leute sind doch ganz nett, und überhaupt, wenn niemand mehr an das Gute im Menschen glauben würde, wie könnte dann so ein Ort existieren, an dem so viele Menschen sind, wie soll das denn gehen wenn jeder Angst hat, der andere könnte ihm gleich ein Messer in den Rücken rammen, wie denn, er hatte die Stimme erhoben und senkte sie jetzt wieder, als wäre er zufrieden mit sich selbst, blickte sogar einen Augenblick zu seinem Passagier hinüber, dessen Augen nachdenklich durch den Raum vor ihm glitten.
Einen längeren Moment sagten sie nichts, blickten nun beide nachdenklich auf die weißen Pfeiler, die an ihnen vorbeischossen, es schien, als schufen die Pfeiler allein den Weg, den sie befuhren.
Wenn das so ist, sagte der Passagier schließlich, wenn das so ist wie du sagst, warum bist du dann auf dem Rückweg, du erinnerst dich, auf dem Rückweg zum Auto auf die andere Straßenseite gewechselt, als uns andere Gäste entgegenkamen, und warum hast du dich dann ängstlich umgeguckt, als es in diesem Etablissement mal etwas lauter wurde, warum hast du jedem, denn du dort nur flüchtig kennst das gleiche erzählt, warum hast du dich auf das beschränkt, was alle tun, warum hast du gesagt Super geht es mir, obwohl du erst gestern wieder über deinen Rücken geklagt hast, warum hast du jedem die gleiche Frage gestellt, die Frage, du erinnerst dich, die Frage nach dem Befinden, und warum hat dir jeder diese Frage gestellt, warum. Warum hast du dein Glas nicht halbvoll abstellen wollen in diesem Etablissement, als du aufs Abort gingst, warum musste ich mit dem Glas in der Hand dort auf deine Rückkehr warten, warum hast du mich und das Glas so prüfend angesehen, als du wieder kamst, seine Stimme war leise, aber eindrucksvoll, warum hast du einer deiner ehemaligen Freundinnen ein Kompliment gemacht und einige Minuten später weniger schicklich über sie geredet, warum, der Blicks des Fahrers duckte sich tief in die Markierungen auf der Fahrbahn, warum.
Erst die Stille ließ wieder die Geschwindigkeit fühlen, mit der sie über die Markierungen schossen, und beide erschraken, er nahm den Fuß von einem der Pedale.
Sein Passagier blickte ihn an, der sanfte Blick eines Gefängnispfarrers, der auf ein Bekenntnis wartet, er wartete einige Sekunden, dann sprach er weiter.
Soll ich dir sagen warum, warum das alles so ist, du weißt es doch genauso gut wie ich, also warum leugnest du es, wir kennen die Wahrheit.
Jeder verrät jeden, so ist das. Jeder hat Angst vor jedem. Selbst vor sich selbst haben die Menschen Angst. Und warum, nun, weil sie es begriffen haben, sie haben hinter das Ideal geblickt, wissen dass es nicht wahr ist, sie wollen keine Opfer mehr sein, und deshalb wird jeder zum Täter. Er hatte wieder die Art von Verbitterung erreicht, mit der er zu sprechen begonnen hatte, hinter diesem oberflächlichen Lächeln, hinter diesen offenen und freundlichen Augen verborgen liegt ein Hass, ein unbändiger Hass auf alles und jeden, und eine Angst, eine Angst vor allem und jeden, beides versteckt sich hinter diesen Augen. Und deshalb handelst du und der Rest dieser ganzen Menschen so, ihr stellt euch immer die gleichen Fragen und gebt immer die gleichen Antworten um ja nie verwundbar zu werden, um niemals den vielen Wölfen um euch herum eine Chance zu geben, um euch zu schützen handelt ihr so, er lehnte sich tief zurück in das schwarze Kunstleder wie ein Anwalt, der gerade sein Plädoyer hielt, und ihr lästert und tratscht und macht euch über andere lustig weil ihr euch in Wirklichkeit hasst, ihr hasst euch selbst und ihr hasst auch jeden anderen.
„Du bist doch verrückt!“, sagte sein Fahrer, ein letzter verzweifelter Ausruf. Dann war das Gespräch beendet, und sie schwiegen eine lange Zeit.

„Der Tod der Harmonie macht euch
zu Krüppeln dieser Zeit
Es werden Meinungen zu Mörderminen
jeder Mensch zu Stacheldraht
und andern zu Helfen wird Hochverrat“

Thomas D. – Auf dem Planeten des ewigen Regens.

Seelenverschwörung/Potenziale

Diesen Artikel drucken 1. Februar 2005

Beim Rekapitulieren der letzten Texte meines Blogs stieß ich auf eine Frage, die ich selbst nicht ganz beantworten konnte.
Was ist eigentlich das Problem der Menschen, die die Texte beschreiben?
Was ist ihr wesentlicher Antrieb, sich selbst zu zerstören?
Sind sie im pathologischen Sinne krank, weil sie intrinsisch motiviert gegen sich selbst handeln?
Oder ist es die Umwelt, die sie traumatisiert und zu dem Untergang verdammt, der sie schließlich ereilt?
Eine Weile habe ich darüber nachgedacht, und mir ist eine interessante -medizinische- Analogie eingefallen, die vielleicht eine Lösung für diese Fragen anbietet, auch wenn sie vielleicht etwas unbefriedigend erscheint, wir wir sehen werden.
Betrachten wir zunächst einen menschlichen Körper, in den ein Fremdkörper eindringt, vielleicht ein Glassplitter, vielleicht auch ein Bruchstück eines Geschosses, das ist zunächst einmal irrelevant. Wie jeder weiß, der schon einmal einen Holzsplitter unter der Haut hatte, wird der Körper mit Abwehrreaktionen beginnen, da die Immunabwehr den Fremdkörper als Feind identifiziert und Gegenmaßnahmen einleitet, ganz ähnlich wie eine Armee, die einen feindlichen Späher hinter den eigenen Linien entdeckt.
Nun, im Gegensatz zu so einer fiktiven Armee, die rational handeln wird und den Feind mit minimalem Aufwand vernichtet, handelt der Körper weniger rational.
Je nach Material und Größe des Fremdkörpers wird das umliegende Gewebe sich verändern, Wundherde bilden, vielleicht nekrotisieren, eventuell sogar einen Cordon von Geschwüren, bösartigen Geschwulsten bilden. Gelingt es dem Körper nicht den – ja vielleicht harmlosen – Splitter zu zerstören oder abzudrängen, wird immer mehr Gewebe betroffen sein, der Blutkreislauf wird schließlich mit Antikörpern und den Zellgiften zerstörter Körperzellen inflitriert werden, der ganze Körper beginnt zu fiebern, vielleicht sogar zu sterben.
Betrachtet man dieses Verhalten mit einiger Distanz und aus einer mehr philosophischen als medizinischen Perspektive, so scheint es , als ob es da einen unsichtbaren Pakt zwischen eingeschlossenem Splitter und Körper gäbe.
Denn schließlich ist es nicht der Splitter, der den Körper zerstört – sofern er keine lebenswichtige Region berührt, wirkt er sich ja nur bedingt störend auf die umliegenden Organe aus. Es scheint vielmehr so, dass der Körper selbst in einer Art Doppelzüngigkeit, einer konspirativen Überlagerung von Ursache und Wirkung, beginnt, sich selbst zu zerstören.
Oberflächlich versucht der Körper nur, auf die Ursache, den Splitter nämlich, zu reagieren. Gleichzeitig ist diese kausale Wirkung aber wiederum auch Ursache eines Niedergangs des gesamten Körpers.
Mit ausreichend negativer Betrachtungsweise könnte man so sogar sagen, dass ein selbstzerstörerisches Potenzial des Körper exisitiert, dass sich an dem Splitter realisiert, aber eigentlich schon immer vorhanden war und sich nur nach Materialisierung sehnte, ähnlich wie eine Perle immer ein Potenzial, eine mögliche Realität der Auster ist.

Ganz ähnliches gilt für die Seele der Protagonisten. Sie alle haben Dinge erlebt, die sie nie ganz verarbeitet haben, kleine, vielleicht große Bruchstücke dieser in ihrem Geiste behalten, und ganz ähnlich wie der Körper in der Analogie beginnt auch die Seele mit einem scheinheiligen Abschottungs- und Schutzmechanismus, den Fremdkörper einzuschließen. In einem unsichtbaren Pakt, einem geheimen Bündnis, einer subversiven Verschwörung mit dem, was sie eigentlich bekämpfen will, entwickelt die Seele dieser Menschen Strategien, sich vor den Splittern zu schützen, vielleicht durch Flucht (vgl. ‚Dunkler Bunter Regen‘ ff.) oder auch durch das Konstrukt einer eigenen, anderen Realität(vgl. ‚Prelude/Lullaby I-IV‘), die im Kern doch nur zerstören, was sie eigentlich schützen sollten. Es sind nicht die Erfahrungen, die die Protagonisten zerstören, es sind die Dinge, die die Seele mit diesen Erfahrungen macht, denn anstatt sie vollständig zu integrieren, was die einzig rationale Lösung sein mag, realisiert sich in diesen Menschen das Potenzial der Autodestruktivität, nutzt den Splitter aus, um sich selbst zu gebären.
Was bedeutet dies also für die Eingangsfrage?
Nun, es scheint so, als ob der Grund für das Verhalten der Protagonisten sich genau zwischen den Begriffen extrinsisch-intrinsisch bewegt; die kausale Ursache, die „Schuld“ an dem, was geschieht, scheint auf eine schwer fassbare Weise zwischen äußeren und inneren Antrieben zu verschwimmen. Ohne die selbstzerstörerischen, inneren Potenziale der Protagonisten wäre ihr Untergang genauso wenig denkbar wie ohne die Außenwirkungen, die sie diese Potenziale erst realisieren lassen. Diese Antwort scheint sehr unbefriedigend zu sein, und das ist sie auch, schließlich zerstört sie das Konstrukt der unbedingten Unterscheidbarkeit von Außen und Innen und ersetzt sie durch ein dynamisches Zusammenspiel, eben dieser Seelenverschwörung, von der der Titel kündet.

Aus der Warte dieser Potenziale des Menschen könnte man jemanden, der etwas Fiktives aufschreibt (der Begriff Autor oder Schriftsteller ist hier obsolet, weil dies Begriffe sind, die von der Gesellschaft ‚verliehen‘ werden), als jemanden beschreiben, der die Potenziale (negative und positive) seiner eigenen Welt auf einem Blatt Papier realisiert, also quasi die Topologie seiner eigenen Realität der Potenziale kartografiert. In gewisser Weise schafft er dadurch in dem, was erzählt, eben diese Metarealität der Potenziale, besser noch, ein Meta-Alter-Ego seiner selbst, die eben nicht nur enthält, was er ist, sondern auch, was er nicht ist und was er sein könnte. Denn selbst das, was wir nur sehen und dann beschreiben, ist etwas, das allein durch den Vorgang des Rezipierens zu einem unserer Potenziale geworden ist.

Jemand, der Fiktives auf Papier schreibt, ist immer jemand, der eine Auster sieht und eine Perle beschreibt – bad_indicator.